MANAF HALBOUNI & CHRISTIAN MANSS
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MOBILISTAN - Ein Kunstprojekt von Manaf Halbouni und Christian Manss
Am 15.September 2021 deklarierten die Künstler Manaf Halbouni und Christian Manss
den ersten mobilen Staat der Welt vor dem Allianz Forum am Pariser Platz in Berlin. Das
Territorium des Kunststaates ist eine Stretchlimousine der Marke Mercedes Benz, das
über die 6 Türen betreten und verlassen werden kann. MOBILISTAN besitzt wie alle
Staaten eine eigene Verwaltung, Flagge, Hymne und Reisedokumente.
MOBILISTAN soll als KUNSTPROJEKT verstanden werden, welches sich mit den Fragen
Mobilität, begrenztem Territorium, Anerkennung, Ausgrenzung, Reisefreiheit und dem
Wunsch nach Zugehörigkeit auseinandersetzt.
Das Kunstprojekt reiste von 2021 bis 2023 für Staatsbesuche bereits nach
Berlin(Deutsches Technikmuseum), Dresden(Kunsthaus), Prag(Úl), Wien(Heldenplatz),
Zagreb(National Theater), Sofia(Alexander Nevsky Cathedral), Istanbul(Mahalla Festival,
Kulturakademie Tarabya), Wroclaw(The Eugeniusz Geppert Academy of Art and Design),
Krakau(Mocak), Solingen(Zentrum für verfolgte Künste) und Poznan(National Museum).
Für 2024 sind u.a. Besuche in Rom(Villa Massimo) und Berlin(Museum Europäischer
Kulturen und ZAK) geplant.
2022 gab es im Mai die Premiere des Dokumentarfilms „Mobilistan“ von Ana Stanic und
produziert von Natasha Davis. Der Film wurde von Counterpoints Arts im Rahmen der
Initiative Across Borders in Auftrag gegeben und in Zusammenarbeit mit der Allianz
Kulturstiftung realisiert. Der Film zeichnet die erste offizielle Staatsreise von Mobilistan
über europäische Grenzen im turbulenten und unsicheren Covid-Pandemie-Sommer 2021
nach.
Mobilistan als Kunstprojekt finanziert sich seit 2022 ausschließlich selbst und erhält keine
Förderung. Die Einnahmen dienen einzig dem Unterhalt des Staates(wie Garagenmiete,
TÜV, Reparaturen, Pflege, Requisiten und Internetauftritt). Lagerort ist Dresden.
Zur Staatsgründung 2021, welche durch die Allianz Stiftung, die IFA und das Zentrum für
verfolgte Künste unterstützt wurde, gab es vier permanente Staatsbürger, welche
gleichzeitig mehrere Rollen begleiteten, wie Präsident, Premierminister, Außenminister,
Finanzminister, Innenminister etc.
Diese vier permanenten Bürger waren Barbara Repe, Anne Manss, Manaf Halbouni und
Christian Manss. Sie bestimmen seit dem über die Geschicke des Kunststaates. Wer
Bürger werden darf, ein Visum erhält oder wo MOBILISTAN temporär ist. Seit 2021 hat
Mobilistan einige Neubürger und Ehrenbürger dazugewonnen. Die jeweilige Besetzung
der Staatsämter wird per Glücksspiel entschieden. Die Bewerber für ein Amt, sagen wir
mal die Präsidentschaft, spielen z.B. „Stein, Schere, Papier“ um den Posten und der
Gewinner erhält das Amt. Jedes Jahr kann der jeweilige Amtsträger durch einen
Staatsbürger herausgefordert werden( z.B. Würfeln, Stöckchen ziehen, Münzwurf etc.).
Die Wahl der „Staatskarosse“ und des Staatsbesuches ist kein Zufall, sondern Programm.
Die Künstler greifen gewohnte und anerkannte Repräsentationsformen und deren
Protokolle von Staaten auf und verleihen damit ihrem Anliegen und Auftritt mehr Gewicht.
Auch die Vokabel „Staat“ und nicht „Land“ oder „Nation“ ist bewusst gewählt.
Was passiert bei einem Staatsbesuch?
Bei jedem offiziellen Besuch wird vor dem Fahrzeug(mit Staatsflaggen auf der
Motorhaube) ein roter Teppich ausgerollt, die Hymne gespielt und mitgesungen. Der
aktuelle Präsident(Manaf Halbouni) und der Premierminister(Christian Manss) sind
staatsmännisch gekleidet und erfüllen alle dem Protokoll entsprechenden Handlungen.
An jedem Empfang möchten die Staatenlenker einen offiziellen Vertreter des jeweiligen
Landes oder der Kulturorganisation treffen, sei es ein Bürgermeister, ein Minister,
Direktoren, Kuratoren, Künstler oder ein anderer Vertreter des Volkes, um sich
auszutauschen, kennenzulernen und eine Vereinbarung für zukünftige kulturelle oder
freundschaftliche Zusammenarbeit zu unterzeichnen.
Anschließend laden die Mobilistani erst die offiziellen Gastgeber und anschließend
jedermann dazu ein, den kleinen Staat zu besuchen.Für die Einreise nach Mobilistan wird
ein zeitlich begrenztes Touristen-Visum von 10 Minuten Dauer, komplett mit
Passstempel(auf einem Einleger für den Pass), ausgestellt. Im Inneren des Fahrzeugs
besteht die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile von Mobilistan mit den Künstlern zu
besprechen, sich von den Ministern durch Mobilistan führen zu lassen, einen Blick auf das
Nachbarland zu werfen und eventuell einen Eintrag im Gästebuch zu hinterlassen.
Bei den bis dato durchgeführten Staatsbesuchen, gab es schon „das erste Konzert in
Mobilistan“(Zagreb), „das erste Puppentheater in Mobilistan“(Istanbul), „die erste
Gruppenausstelllung in Mobilistan“(Wroclaw) als auch „die erste Einzelausstellung in
Mobilistan“(Poznan).
Mobillistan hat weitere Ideen, welche Aktionen bei Staatsbesuchen umsetzbar wären u.a.:
– Hymne wird von Kapelle gespielt(ein ortsansässiger Hobbyverein, wie Feuerwehr-,
Jugend- oder andere Blaskapelle), die Noten zur Hymne können gestellt werden
– Greenwashing-Event, z.B. Bäume pflanzen für gefahrene Kilometer, um den CO2-
Abdruck schön zu rechnen, wie es viele Industriestaaten tun
– erste Talkshow in Mobilistan
– erstes Theaterstück in Mobilistan
– erstes Sportevent in Mobilistan(Fingerskateboarding, Schach etc.)
– politische Aktionen, wie „Das Boot ist voll!“(maximale Auslastung des Fahrzeuges
testen)
– Staatsgeschenke von Mobilistan an Gastgeber
Warum geht es dem Projekt und den Künstlern?
Manaf Halbouni und Christian Manss verbindet neben ihrem Beruf auch das Erleben
großer politischer Ereignisse, welche vermeintlich gesetzte Sicherheiten in der Geschichte
verpuffen liesen. Der Staat in dem Christian Manss geboren wurde, die DDR, existiert
nicht mehr und in den Staat in dem Manaf Halbouni geboren wurde, Syrien, kann er nicht
ohne weiteres zurückkehren. Daraus resultieren Fragen, wie; Was ist von Dauer? Wo ist
es sicher? Woher komme ich?
Oder auch: Was ist ein Staat? Was das Territorium? Und akzeptieren wir dessen
Definitionen? Wer muss uns anerkennen, wenn nicht nur wir selbst? Diese Fragen
tauchen immer wieder in der Geschichte auf, z.B. die Türkische Republik Nordzypern ist
ein De-facto-Regime im Norden der Mittelmeerinsel Zypern, das von der internationalen
Staatengemeinschaft mit Ausnahme der Türkei nicht als Staat anerkannt wird – aber er
existiert, ist eine Tatsache. Und damit ist die Republik nicht allein: Südossetien, Abchasien,
Arzach oder Transnistrien, um nur einige zu nennen.
Und als Beispiel aus dem Bereich der Kunst: Im Jahr 1992 erklärte die NSK (Neue
Slowenische Kunst) ihre Umwandlung von einem Kollektiv in einen Staat („Staat in der
Zeit“). Diese Beispiele zeigen, dass die Erklärung der Eigenständigkeit als Staat reicht, um
Tatsachen zu schaffen und nicht die Akzeptanz der Mehrheit. Nüchtern betrachtet, ist ein
Staat nicht mehr als eine gesellschaftliche Verwaltungsstruktur.
Warum ist die Staatsbürgerschaft eines bestimmten Landes so attraktiv?
Ein funktionierender und ansprechender Staat sollte im Idealfall Folgendes bieten:
„Sicherheit“. Deshalb bleibt Deutschland trotz aller Probleme so attraktiv. Gleichzeitig ist
dieses Konstrukt aber auch fragil, wie etwa die „Reichsbürger“-Bewegung zeigt. Ein
„Reichsbürger“ erkennt die Bundesrepublik Deutschland nicht an. Derzeit stellen
verschiedene Gruppen die Legitimität der Regierungsform in Frage, in der sie leben.
Ein Staat ist genau das – eine Form der Regierungsführung einer Gesellschaft. Es sind
nicht nur Reichsbürger, sondern auch digitale Nomaden oder Pioniere wie Luis Cuende
vom Projekt Aragon, die im Internet neue Gemeinschaften bilden und im herkömmlichen
Sinne staatenlos sein wollen. Mobilistan soll die Diskussion über bestehende und
utopische Staatsformen anregen.
Des weiteren sind beide Künstler viel beruflich unterwegs und dabei auch oft mit dem
Auto, um ihre Werke zu transportieren – zu Ausstellungen, Künstleraufenthalten oder
wieder an den eigentlichen Wohn bzw. Arbeitsort zurück. Was Manaf Halbouni und
Christian Manss in diesem Zusammenhang auch verbindet, ist die Tatsache, dass sich
beide aus ihrer Kindheit daran erinnern, dass ein Auto etwas Besonderes und schwer zu
bekommen war. Einer von ihnen aus Damaskus, der andere aus der DDR. Dies ist einer
der Gründe, warum Fahrzeuge im Werk von Manaf Halbouni einen so großen Raum
einnehmen: Fahren ist Freiheit. Wenn also der Raum, in dem Sie sich sicher und frei
fühlen, ein Vehikel ist, könnte er genauso gut ihr Staat – ihr Zuhause sein.
Das Ziel ist es, Fragen aufzuwerfen, die im Alltag oft übersehen werden. Wir leben einfach
in Organisationskontexten, ohne diese zu hinterfragen oder zu wertschätzen. Wir
akzeptieren oft das Gute zusammen mit dem Schlechten. Mobilistan soll einen Ort
schaffen, an dem die komplexen Fragen der sozialen Organisation zugänglich gemacht
werden können, und zwar auf einfache und übersichtliche Weise.
Mehr zu Mobilistan finden Sie unter: www.mobilistan.art
Die Amts- und Kommunikationssprache in Mobilistan ist Englisch, da es den kleinsten,
gemeinsamen Nenner in einer multinationalen Bürgerschaft wie der von Mobilistan
darstellt.